Joker

Nachts, am Heimweg vom Kino, wenn man so durch Wiens Straße wandert, entscheidet sich, ob der gesehene Film sein Geld wert war.

Und nachdem meine Gedenken kreuz und quere durch vergangene Bekanntschaften, eigene Befindlichkeiten und Sozialkritik streiften, kann ich nur sagen, Joaquin Phoenix’s Darstellung des “Joker” im gleichnamigen Film muss man gesehen haben.


Und wie ich auch schon an einigen Stellen im Internet vorher gelesen hatte, muss ich mich auch der folgenden Meinung anschließen:

Dass dieser Joker Film im Batman (DC) Universum spielt, ist KEIN Vorteil.

Denn die Story, wie aus einem armen teils kranken Menschen ein - nun ja, sagen wir - geisteskranker Verbrecher wird, ist durchaus bewegend.

Es ist zwar die gefühlt 100ste Neuverfilmung der Joker-Story, dass aus jedem unterdrückten, sozial benachteiligtem Kind ein Massenmörder werden kann, aber nichts desto trotz macht es schon Sinn, dass jene, zu denen das Leben ungut war, irgend wann einmal “durchdrehen”.

Marcel Reich Ranicky meinte in fast jeder Ausgabe der Reihe “Lauter schwierige Patienten”, dass es eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Kindheit und soziales Umfeld in Bezug auf außergewöhnliche Persönlichkeiten in der Literatur geben sollte.
Und er meinte außerdem, dass großteils nur Menschen, die viel gelitten haben, zu starken kritischen Werken befähigt sind, weil sie die Welt ob ihrer Erlebnisse durch andere Augen sehen.

Nun mag “Joker” kein Literaturgenie sein, im Gegenteil, doch sein finaler Auftritt und die scharfe Analyse seiner Umwelt, der erkannten Unfähigkeit seiner Mitmenschen lässt mich eher an Thomas Bernhard denken, als an die Figur des Widersachers von Batman.

Deplatziert wirken die Szenen, in den Bruce Wayne als Kind oder sein Vater an der Handlung teilnehmen. Denn auch wenn vernünftig inszeniert, lenken diese Figuren meiner Meinung nach vom Schicksal eines kranken und sozial isolierten Menschen eher ab. Eine jede mögliche Beziehung zu anderen Menschen hätte die Umstände ebenso gut verkörpern können und der Film wäre dann von seinen wirklichkeitsnahen Ansätzen nicht ins Fantasy-Genre abgeglitten.

Ein große Leistung hat meines Erachtens Joaquin Phoenix erbracht. Es ist alles andere als leicht, eine solche Rolle einzustudieren und glaubhaft zu vermitteln. Das gilt aber - denke ich - für alle Rollen, die mit Geisteskrankheit zu tun haben.

Ich denke da an Leonardo DiCaprios Rolle in Shutter Island ebenso, wie an Dustin Hoffmans Rain Man. Denn die “Ticks”, die man sich als Schauspieler bei solchen Rollen aneignet, können durchaus das eigene Leben negativ beeinflussen.

Fazit

Ich war diesmal etwas spät dran, den Film im Kino zu sehen, doch auch trotz der Spoiler, die man eben so mitbekommt, überraschte mich der Film durch seine Bildsprache. “Joker” ist eben doch nicht nur eine weitere Verfilmung einer interessanten Comic-Figur, es ist ein verzerrtes Porträt eines Menschen, dem viel Wahnsinn widerfährt, bis er ihn letztlich als normal ansieht.

Ein solcher “Joker” könnte auch bei mir um die Ecke in einer kleinen Nachbarwohnung heranwachsen und eines Tags ausbrechen.

… nun, nicht ganz. Denn hier bin ich schon stolz darauf, dass wir (noch) nicht alle Sozialämter aus Kostengründen geschlossen haben und kranke Menschen ihre Medikamente bekommen und nicht ignorant auf die Straße gesetzt werden.

Vielleicht ermahnen uns solche Filme genauer darauf zu achten, wem wir durch purem Geiz die Existenzgrundlage entziehen, und dass wir

  • wie Joker trefflich bemerkte - wieder mehr zuhören und auch hinsehen sollen, wenn uns eine gequälte Seele ihr Schicksal schildert.