Das Öxlein und das Öselein
« | 24 Dec 2024 | »Immer wieder erwähnt meine Mutter in Erzählungen, wie es in ihrer Kindheit zu Weihnachten war, als die kleine Dorfkapelle am heiligen Abend voll mit Mensch war, und wie gemeinsam gesungen wurde.
Und es soll mein Großvater gewesen sein, der damals einen alten Brauch durch einen neueren ersetzt hat.
Österreich ist sich ganz besonders stolz auf seine großen
Export-Güter in der Musik:
Stille Nacht, heilige Nacht
is wohl das “bekannteste” Lied aus der Alpennation, welches in alle Sprachen
übersetzt und in vermutlich jedem Land irgendwo einmal angestimmt wird.
Doch in einem kleinen Dorf im Waldviertel,
hinter den sieben Hügeln
bei den Hühnern mit den kurzen Flügeln …
oder so ähnlich, da war alles anders.
In der Kapelle wurde nämlich von Jahr zu Jahr ein anderes Weihnachtslied angestimmt, und zwei alte Herrn machten sich stets einen Spaß daraus, ein paar Laute so zu verzerren, dass die Kinder sich das Lachen nicht verkneifen konnten.
Ein Öxlein und ein Öselein,
das mögen gute Tierlein sein.
Natürlich sollte es “ein Öchslein und ein Eselein” sein, die hier besungen wurden, doch so brannte sich die Zeile ins Gedächtnis der damaligen Kinder.
Einige Jahre später drängte (so die Legende) mein Großvater darauf hin, man möge doch wie alle anderen “zivilisierten” Gemeinden, die “Stille Nacht” besingen und so setzte sich langsam der Wille zur Veränderung bei den “Dorfältesten” durch.
Nur erklingt auch im Waldviertel das Lied aus Oberndorf am
- Dezember.
Doch woher stammte eigentlich das “Öselein”.
Was ist das doch ein holdes Kind
Das Internet hilft weiter:
Die deutsche Dichterin Luise Hensel
erdachte den Text 1871, und irgendwie muss er es auch in den Südosten
geschafft haben, wo ihn meine Vorfahren gelernt hatten.
Interessant ist, dass das Lied dem “näheren” Stille-Nacht-Text vorgezogen
wurde, bis er vermutlich in den 1960er Jahren aufgegeben wurde.
Die Seite lieder-archiv.de hat das Stück für die Nachwelt konserviert, was mir eine große Freude bereitet.
Trotzdem möchte ich den Text nun hier einfügen, damit er möglichst lange erhalten bleibt … und verleicht möge sich der eine oder andere Leser bei Strophe 4 zwei alte Bauern vorstellen, die wie Schulkinder aus dem “Eselein” ein “Öselein” beim Durchsingen machten.
Was ist das doch ein holdes Kind
das man hier in der Krippe find’t?
Ach, solch ein süßes Kindelein,
das muss gewiss vom Himmel sein.
Die Frau, die bei der Krippe kniet,
und selig auf das Kindlein sieht,
das ist Maria fromm und rein;
ihr mag recht froh im Herzen sein.
Der Mann, der zu der Seite steht,
und still hinauf zum Himmel fleht,
das muss der fromme Josef sein,
der tut sich auch des Kindleins freun.
Und was dort in der Ecke liegt
und nach dem Kindlein schaut vergnügt,
ein Öchslein und ein Eselein,
das mögen gute Tierlein sein.
Und die dort kommen fromm und gut
mit langem Stab und rundem Hut,
das ist der Hirten fromme Schaar,
die bringen ihre Gaben dar.
Und was den Stall so helle macht,
und was so lieblich singt und lacht,
das sind die lichten Engelein,
die schaun zu Tür und Fenster ein.
Und die da kommen ganz von fern
und gläubig schauen nach dem Stern,
das werden wohl die Weisen sein
mit Weihrauch, Gold und Spezerein.
Und ob dem Stalle flammt der Stern,
der leuchtet nah und leuchtet fern;
er leuchtet auch durch unsre Zeit
und leuchtet bis in Ewigkeit.
Sei hochgelobt, du dunkle Zell!
Durch dich die ganze Welt wird hell.
Klein Kindlein in Mariens Schoß,
wie bist du so unendlich groß.
YouTube hat zumindest die ersten 3 Strophen vertont: